Igor Belanow: Absturz des BoRussen im „Goldenen Westen“

Als Europas Fußballer des Jahres 1986 und Vize-Europameister 1988 kommt Igor Belanow zur Saison 1989/90 nach Mönchengladbach. Der erste Russe in der Bundesliga, noch vor Öffnung der deutsch-deutschen Grenze, Star der Nationalmannschaft der UdSSR. Doch Belanow kann seine Vorschusslorbeeren nie zeigen und landet heute aufgrund mehrerer Anekdoten abseits des Platzes nicht ganz zu unrecht in jeder Top10 der Liste ewiger Transferflops.

Vielleicht ist es der verschossene Elfmeter im EM-Finale 1988 in München, der Igor Belanow den Knacks in seiner Karriere bringt. Hollands Torhüter Hans van Breukelen pariert in der 58. Minute einen selbst verursachten, hart aber unpräzise geschossenen Elfer von Belanow, kurz zuvor hatte die Niederlande das vorentscheidende 2-0 erzielt. Die EM-Träume der UdSSR platzen am Elfmeterpunkt. Die Karriere von Belanow ist wohl bereits im Sinkflug, als er ein Jahr nach dem Ende des Turniers bei Borussia Mönchengladbach anheuert. Nur weiß dies bei dem neuen Arbeitgeber noch niemand.

 

Auf dem Höhepunkt der Karriere war Belanow sicherlich 1986. Mit seinem Verein Dynamo Kiew gewann der damals 25-Jährige den Europapokal der Pokalsieger und sorgte bei der WM in Mexiko für Furore. Am Gruppensieg der UdSSR vor Europameister Frankreich um Michel Platini und einem überragenden Auftritt beim 6-0 gegen Ungarn mit schnellem Spiel trotz erdrückender Hitze hatte auch Belanow mit seiner Spritzigkeit und Schnelligkeit entscheidenden Anteil. Zwar war im Achtelfinale gegen Belgien (3-4 n.V.) bereits Endstation, für die Fußballer der UdSSR war dieser Erfolg jedoch der Beginn mehrerer glorreicher Jahre. Belanow selbst schoss im Turnier 4 Tore und wurde zu Recht zu Europas Fußballer des Jahres gewählt.

Als sich 3 Jahre später der Untergang der Sowjetunion abzeichnet, wechselt Belanow also zu den Fohlen. Mit seinem Misstrauen gegenüber der Deutschen Mark macht er gleich zu Beginn Schlagzeilen. Die Gladbacher Verantwortlichen erfüllten Belanow die Forderung, in US-Dollar bezahlt zu werden. Auch Irina, ihres Zeichens Gattin des Fußballers, kann man die kommunistischen Wurzeln noch nachsehen. So kauft sie bei einem örtlichen Schlachter aus Angst vor zwischenzeitlichem Lieferengpass 15 Kilo Fleisch und sorgt für Gelächter bei den Fohlen-Fans. Dennoch begrüßen sie ihren neuen Star im „goldenen Westen“. „Ich bin ein BoRusse“, so die Kampagne für den neuen Spielmacher.

Sportlich tritt Belanow allerdings nur selten in Erscheinung. So sitzt der hochgelobte Neuzugang bereits zu Saisonbeginn wegen eines Muskelfaserrisses und fehlender Fitness immer wieder auf der Ersatzbank. Nur beim 4-0 gegen Werder Bremen, dem 1. Spiel der Rückrunde, tritt Belanow mit 2 Toren (eins mit dem Hinterkopf) positiv in Erscheinung. Ein wichtiger Sieg, schließlich hatte der ehemalige UEFA-Cup-Anwärter Mönchengladbach als Tabellenschlusslicht überwintern müssen. Der Abstieg kann zwar verhindert werden, eine miserable Saison findet jedoch auch für Belanow ein unschönes Ende. Am 30. Spieltag fliegt er beim 0-3 der Gladbacher gegen den HSV bereits nach 16. Minuten wegen Nachtretens vom Platz und muss den Rest der Saison von der Tribüne aus zusehen. In der Sommerpause kämpft er sich zwar wieder in die Startelf, aber schließlich reicht es in der folgenden Saison nur noch zu Kurzeinsätzen.

 

Schlagzeilen macht Belanow dann eher abseits des Platzes. Der Dollarkurs bricht aufgrund des Ostblockzerfalls auf ein Fünftel ein und Belanow verliert damit einen Großteil seines Vermögens. Wie schlecht es finanziell um den einstigen Superstar steht weiß niemand genau, als er jedoch in Düsseldorf beim Klauen von Pelzmänteln und einem 15-DM-Armreif erwischt wird, wird die Situation klar. Belanow wird fortan verspottet und verliert seinen lange Zeit aufgebauten guten Ruf. Für Gladbach endet auch mit dem Fehlgriff Belanow Anfang der 90er die lange Zeit der Spitzenklassigkeit, das Team versinkt im Mittelmaß.

In der Winterpause 1990/91 endet schließlich das große Missverständnis zwischen Belanow und Mönchengladbach. Bei Eintracht Braunschweig in der 2. Bundesliga kann Belanow fortan sein Können unter Beweis stellen und er ist durchaus erfolgreich. Mit 13 Toren in 38 Spielen zählt Belanow zu den herausragenden Spielern der folgenden 1,5 Jahre, den Abstieg mit der Eintracht in die Drittklassigkeit kann er jedoch auch nicht abwenden. Belanow wechselt zurück in seine Heimat Odessa und beendet dort heimlich, still und leise seine Karriere.

2003 schließlich taucht Belanow wieder in den Nachrichten auf. Er übernimmt die Aktienmehrheit am Schweizer Club FC Wil und erreicht mit ihm die UEFA-Cup-Qualifikation. Jedoch kommt das Gerücht auf, Belanow nutze den Verein zur Geldwäsche, auch von mafiösen Verstrickungen ist die Rede. Der Verein bekommt schnell den Spitznamen „Dynamo Wil“ und wird schließlich von einem Großteil der Schweizer boykottiert. Belanow zieht sich zurück. Neben dem Engagement in der Stahlfirma seines Schwiegervaters und Tätigkeiten als Buchmacher soll Belanow in seiner Heimat eine gleichnamige Fußballschule betreiben. Der Ruhm des ehemaligen Weltstars ist längst verflogen.

Das ist Igor Belanow

Geburtstag: 25. September 1960
Nationalität: Ukraine
Bundesligavereine: Borussia Mönchengladbach
Bundesligaspiele: 24
Bundesligatore: 4
Länderspiele: 33
Länderspieltore: 8
Platzverweise: 1
Titelgewinne: Europas Fußballer des Jahres 1986. Gewinn UEFA-Cup 1986. Meister UdSSR 1985, 1986. Pokalsieger UdSSR 1985, 1987.

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