Jürgen Wegmann: Erst kein Glück, dann kam Uli Hoeneß

Jürgen Wegmann gehört zu den erfolgreichsten Bundesliga-Torschützen der 80er Jahre. Aber wie so häufig kommt auch für den Mittelstürmer nach dem Ende der Karriere der tiefe Absturz. Die „Kobra“ lebt schließlich zeitweilig sogar von Hartz IV, bis ein Freund aus seiner Zeit bei Bayern München ihm eine weitere Chance vorbereitet.

Im zarten Alter von 19 wird Wegmann zum Profifußballer. Bei seinem Heimatverein Rot-Weiß Essen debütiert er 1982 im Zweitligaspiel gegen Fortuna Köln und erzielt bereits nach 3 Minuten seinen ersten Treffer. 31 weitere sollten in 65 Spielen folgen. Als Wegmann 1983/84 bis zur Winterpause bereits 12 Treffer erzielt hat, wechselte er zu Borussia Dortmund. Und auch hier gelang ihm in seinem ersten Spiel bereits sein Tor. Jürgen Wegmann gilt als echter Strafraumstürmer, der auf jede Flanke lauert und keinen Ball verloren gibt. Er ist abschlusssicher und wird schon in jungen Jahren unverzichtbar in der Stammelf. Er trägt den Spitznamen „Kobra“, weil er sich als Torjäger „giftiger wie die giftigste  Schlange“ hält.

Dann macht Wegmann einen Fehler, den normalerweise kein Fan der Borussia verzeiht: Er wechselt zu Schalke 04. Bereits Wochen vor Ende der Saison wird der Transfer verkündet, Dortmund steckt zu diesem Zeitpunkt mitten im Abstiegskampf. Doch anstatt aus der Stadt verjagt zu werden, schießt Wegmann sich mit einem entscheidenden Tor für ewig ins Herz der schwarz-gelben Anhänger. Dortmund muss als 16. in die Relegation, trifft auf den Zweitligadritten Fortuna Köln. Gegen den „ewigen Zweitligisten“ war Dortmund 2 Jahre zuvor im DFB-Pokal-Halbfinale sensationell mit 0-5 ausgeschieden und auch das Hinspiel der Relegation im Müngersdorfer Stadion geht 0-2 verloren. Nachdem die Borussia im Rückspiel erneut in Rückstand gerät, hilft nur noch ein Wunder. Alles wird nach vorne geworfen, nach 68 Minuten ist das Spiel durch Zorc und Raducanu gedreht, doch noch liegt Köln vorne. Es folgt der unvergessliche Auftritt von Jürgen Wegmann. Die Nachspielzeit läuft bereits, Dortmund steht mit einem Fuß in der Zweitklassigkeit. Dann noch mal eine Flanke und Wegmann steht genau dort, wo ein Mittelstürmer stehen muss. Er netzt ein zum 3-1 für den BVB.

Das Tor in buchstäblich letzter Sekunde erzwingt ein Entscheidungsspiel, da zu dieser Zeit noch keine Auswärtstorregel existiert. Dieses wird vom DFB ins Düsseldorfer Rheinstadion gelegt, doch die Fortuna kann wegen einer ominösen Grippewelle nicht antreten. Präsident und Mäzen „Schäng“ Löring kann dem DFB 14 Krankenscheine präsentieren, so dass das Spiel um eine weitere Woche nach hinten verlegt wird. Dortmund gewinnt schließlich deutlich mit 8-0, bleibt erstklassig und revanchiert sich für die Pokalpleite von 1984. Jürgen Wegmann hat durch sein Tor in der Nachspielzeit den schweren Gang in die Unterklassigkeit verhindert und gilt spätestens seitdem in Dortmund als unsterblicher Held.

Das kann auch sein Wechsel zum Konkurrenten Gelsenkirchen nicht zerstören. Und Wegmann wäre nicht Wegmann, wenn es nicht auch aus seiner königsblauen Zeit eine Anekdote zu berichten gäbe. Vor dem Saisonstart werden Wegmann 3.000 Autogrammkarten ausgeteilt, damit er diese zu Hause unterschreiben kann. Tags darauf erscheint Wegmann erneut und verlangt einen weiteren Stapel. Die Rückfrage der Sekretärin, ob er die Karten verloren habe, verneint Wegmann. Er habe sie „in seinem Viertel verteilt“. Wegmann zieht nach einer Saison auf Schalke weiter, Meister Bayern München holt ihn an die Isar.

Bereits sein erstes Spiel für die Münchener wird legendär. Zwar geht es lediglich um den Superpokal gegen den Pokalsieger HSV, doch dieser hat mit Uli Stein einen echten Problemfall im Kasten. Sein Rausschmiss bei der Nationalmannschaft ist noch nicht verdaut und so wird Jürgen Wegmann nach seinem Treffer zum 2-1 zum Opfer des Keepers. Stein haut ihm am Boden liegend mit der Faust ins Gesicht, wird daraufhin vom Feld verwiesen, für 10 Wochen gesperrt und beim HSV rausgeschmissen. Noch heute ist löblich, dass Wegmann die Tat nicht gekontert hat.

Mit den Bayern hat Wegmann eine äußerst erfolgreiche Zeit. Er wird 1989 Deutscher Meister, trifft in 2 Jahren 26 Mal für die Münchener, darunter auch per legendärem Fallrückzieher gegen Nürnberg zum Tor des Jahres 1989. Dann stocken die Bayern auf, holen McInally und Mihajlovic und neben Roland Wolfarth ist kein Platz mehr im Sturm. Wegmann geht zurück nach Dortmund, denn hier wird er mit offenen Armen empfangen. Doch sein Zenit scheint überschritten. In der Saison 1989/90 gehört Wegmann noch zur ersten Elf, kommt im Jahr darauf nur noch zu Kurzeinsätzen. Stephane Chapuisat, Flemming Povlsen und Frank Mill bilden das neue Angriffstrio der Borussen, die 1992 beinahe Meister werden und auch im Jahr darauf unter den Top 3 der Bundesliga landen. Wegmann wird in der Winterpause zum Zweitligisten MSV Duisburg verliehen, doch auch hier kommt er über Jokereinsätze nicht hinaus. In der folgenden Saison bei seinem Heimatverein Rot-Weiß Essen neigt sich die Karriere Wegmanns langsam dem Ende.

Doch Wegmann gibt nicht auf, er will spielen und wechselt für eine obligatorische D-Mark zum Ligakonkurrenten Mainz 05. Doch schon in einem Saisonvorbereitungsspiel reißt das Kreuzband, Wegmann muss ungewollt seine Karriere beenden. Ein schwerer Schlag für den Kicker, wie sich einige Zeit später herausstellen sollte. Seine Aussage „Erst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.“ gehört zu den beliebtesten und meistzitierten Spielersprüchen aller Zeiten und beschreibt kurioserweise auch die Zeit nach Wegmanns Karriere. Ihm fehlt ohne den Sport seine Aufgabe, er versucht sich zwar als Schiedsrichter in der Kreisliga, doch bleibt er häufig unbeschäftigt. Seine Ehe zerbricht, mit seiner Frau geht auch das Geld, Wegmann plagen Schulden. Er hat 2 Kinder von unterschiedlichen Frauen, viele Freunde sind ihm aus seiner erfolgreichen Zeit nicht geblieben. Nach dem Weggang von Manager Meier muss er schließlich seinen Job im Fanshop von Borussia Dortmund aufgeben, weil er nur unregelmäßig arbeitet und unter dem Strich zu wenig Geld zum Leben verdient. Auch seine Beschäftigungen als Lagerist und Sicherheitsmann scheitern, der ehemalige Fußball-Millionär ist am Boden der Gesellschaft angekommen, bezieht sogar Hartz IV.

Wegmann denkt darüber nach, ein Biographie zu schreiben, 29,90 soll sie kosten, das steht schon fest. Doch schließlich bewahrt ihn Uli Hoeneß davor. Der Bayern-Manager zeigt sich von seiner fürsorglichen Seite und besorgt Wegmann einen Job in einem Fanshop des FC Bayern. Er arbeitet in einem Einkaufscenter in Oberhausen und versucht langsam sein Leben wieder gerade zu rücken. Nicht nur für Borussen-Fans ist Wegmann eine Legende. Der „komische Kauz“ ist ein echter Kult-Kicker.

Das ist Jürgen Wegmann

Geburtstag: 31. März 1964
Nationalität:
Deutschland
Bundesligavereine:
Borussia Dortmund, Schalke 04, Bayern München
Bundesligaspiele:
203
Bundesligatore:
69
Länderspiele:
0
Länderspieltore:
0
Platzverweise: 0
Titelgewinne: Deutscher Meister 1989. Torschütze “Tor des Jahres” 1988.

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4 Kommentare

  1. Habe Jürgen am 14.04.2012 persöhlich kennen gelernt, einfach ein netter Kerl!!

  2. Seit dem 3 – 1 von Jürgen gegen Fortuna Köln bin ich BVB Fan , war damals im Stadion, so was habe ich nie mehr erlebt. Nochmals vielen Dank Jürgen und alles Gute.

  3. ..ich habe Kobra gestern vom dem BVB Spiel gegen den FC Porto im HCC Dortmund
    kennengelernt..
    ..wir haben über eine Zeit beim FCB gesprochen, an die er sich *insbesondere an
    Ulli* , gerne erinnert.
    ..ein super Typ..

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