Manfred Burgsmüller: Oldie mit 29, Goldie mit 39

Manfred – genannt „Manni“ – Burgsmüller war der dienstälteste Stürmer der Bundesliga. Seine Karriere neigte sich mit 36 Jahren eigentlich schon dem Ende, als Otto Rehhagel den Essener Wuschelkopf aus der zweiten Liga zu Werder Bremen holt. Burgsmüller wird mit Werder Deutscher Meister und spielt bis 52 American Football. Dabei galt er eigentlich schon mit 29 als „zu alt“.

Manfred Burgsmüller wächst in Essen auf. Bereits als Kind geht er jeden Tag nach den Hausaufgaben auf die Straße zum „bötschen“, wie man das Kicken dort nennt. Als ihm im Jugendteam das Schienbein gebrochen wird, hält er es nicht aus, mit Gips vom Fenster aus zusehen zu müssen, wie die anderen Kinder spielen. Burgsmüller spielt mit Gips, dieser löst sich nach und nach von alleine auf. Leichtgewicht Burgsmüller ist ein echter Straßenfußballer und wird auch schon mal verprügelt, wenn er zu viele Gegenspieler tunnelt.

Sein Bruder überredet ihn schließlich zum Wechsel von Recklinghausen zu Rot-Weiß Essen. Dort kämpft er sich neben seinem Wehrdienst  über die Jugendteams von RWE in den Bundesligakader. Bei seinem Debüt 1969 gegen den VfB Stuttgart (3-3) wird er für den verletzten Kik ein- und dann allerdings zur Halbzeit wieder ausgewechselt – kein Debüt, von dem jeder Fußballer träumt. Burgsmüller wechselt für 2 Jahre zu Bayer 05 Uerdingen in die Regionalliga West, kann sich dort durchsetzen und wird 2x Torschützenkönig. Uerdingen steigt auf und die Interessenten für Burgsmüller stehen Schlange. Ein Angebot aus Anderlecht, einen unterschriftsreifen Vertrag aus Mönchengladbach, doch Burgsmüller geht „aus privaten Gründen“ zurück nach Essen. Die dortigen Zeitungen können ihr Glück nicht fassen und verkünden: „Einst nannten wir ihn Murksmüller, jetzt müssen wir ihn hochachtungsvoll in Burgsknüller umtaufen!“

Diesmal ist die Zeit in Essen für Burgsmüller erfolgreicher. Unter Trainer Diethelm Ferner hält sein steiler Aufstieg  an. Er wird zum Stammspieler und erzielt 32 Bundesligatore in 2 Jahren für RWE. Burgsmüller unterschreibt anschließend einen Vertrag bei Ligakonkurrent und ehemaligem Arbeitgeber Bayer 05 Uerdingen, die jedoch am Ende der Saison vor seiner Verpflichtung in die Zweite Liga absteigen müssen. Dort hält es Burgsmüller entsprechend nicht lange. Er wird von Otto Rehhagel zu Borussia Dortmund geholt und strebt dem Höhepunkt seiner Karriere entgegen. Insgesamt 7 Jahre spielt er für Borussia Dortmund und wird zum erfolgreichsten Torschützen des Vereins. Dortmund reift von einer Mannschaft im grauen Mittelfeld zum UEFA-Cup-Kandidaten. In den Diensten der Borussia schießt Burgsmüller 7 Jahre in Folge jeweils mehr als 14 Saisontore. Aber selbst die 27 Treffer im Jahr 1980/81 reichen nicht für die Torjägerkrone. „Irgendwie war immer einer besser“, so Burgsmüller rückblickend.

Auch Bundestrainer Helmut Schön wird auf Burgsmüller aufmerksam, bei 3 Länderspielen ist der blonde Strafraumspieler schließlich dabei. Doch für eine Einladung zur WM 1978 reicht es nicht. Schön plant, die Mannschaft zu verjüngen und findet Burgsmüller im Alter von 29 Jahren schlichtweg „zu alt“. Zudem passt ihm das lose Mundwerk Burgsmüllers nicht. Nach seinem Länderspieldebüt 1977 in Stuttgart gegen die Schweiz fertigt Burgsmüller die wartenden Reporter mit der Bemerkung ab: „Ich weiß nicht, wie Sie mich gesehen haben, ich habe mich gut gesehen, wiederschaun.“ Als ihm Bundestrainer Schön daraufhin empfiehlt: „Bleib auf dem Teppich“, entgegnet er knapp: „Ich dachte, wir spielen auf Rasen.“ Dass Burgsmüllers Blütezeit in den kommenden Jahren, ja fast Jahrzehnten, noch kommen sollte, hatte Schön nicht geahnt.

Nach der erfolgreichen Zeit in Dortmund verpflichtet der Club aus Nürnberg den wuseligen Blondschopf, bei dem rückblickend nicht sicher gesagt werden kann, ob er jetzt ein Spielmacher oder Mittelstürmer ist. Der Ausflug ins  Frankenland ist allerdings nur teilweise erfolgreich. Burgsmüller hat großen Einfluss innerhalb der Mannschaft und setzt sich mit einzelnen Entscheidungen über die Verantwortlichen hinweg. Der Verein gerät durcheinander und der sportliche Misserfolg folgt. Trotz 12 Toren von Burgsmüller steigt der Club ab. Die Mannschaft bricht auseinander, Burgsmüller wechselt zu Zweitligist Oberhausen, zurück ins Ruhrgebiet. Burgsmüller wird mit 29 Treffern Torschützenkönig der Zweitligasaison 1984/85. Sein Trainer Jupp Elting sagt über ihn: „Juwelen funkeln auch im Alter!“

Und dann kommt der Anruf, mit dem keiner gerechnet hat. Bremens Trainer Otto Rehhagel, den Burgsmüller bereits aus seiner Zeit bei Borussia Dortmund kennt, holt den inzwischen 35-jährigen Burgsmüller für lächerliche 150.000 DM zu Titelaspirant Werder Bremen. Rehhagel wird erst spöttisch belächelt, als er den „Fußball-Opa“ engagiert, der zudem noch aus seiner Nürnberger Zeit im Ruf eines Querulanten steht. Doch der Trainer verteidigt sich mit dem nicht unbedingt branchentypischen Hinweis: Gerade das freche Wesen sei eine der großen Stärken Burgsmüllers. Denn, so Rehhagel: „Ein Spieler, der mir keine Schwierigkeiten macht, macht auch dem Gegner keine.“

Und er sollte Recht behalten. Die Ausfälle des Bremer Stürmers Rudi Völler macht Burgsmüller wett und gewinnt mit dem Team 1988 den Deutschen Meistertitel. Auch in den noch folgenden Jahren bleibt er eine gute Alternative im Sturmzentrum von Werder und spielt mit seiner Erfahrung und seinem Können einige Jungspunde in Grund und Boden. Sein Markenzeichen dabei: Das Trikot aus der Hose hängend und selbige fast überdeckend. Seine eindrucksvolle Karriere beendet Burgsmüller schließlich am Ende der Saison 1989/90 im Alter von 40 Jahren. Ein Tor bei der 2-3 Pokalfinalniederlage von Werder Bremen gegen den 1.FC Kaiserslautern ist gleichzeitig sein letztes. Mit 213 Toren steht er auf Platz 4 der ewigen Bundesliga-Torschützenliste.

Aber Burgsmüller hat noch nicht genug vom Leder. Von 1996 bis 2002 wechselt er die Sportart und wird dank seiner Tätigkeit für den Sportartikelhersteller Reebok Kicker des American Football Teams von Düsseldorf Rhein Fire. Als ältester aktiver Footballer aller Zeiten geht er mit 52 Jahren auch hier in die Geschichte ein. 2 Titelgewinne kommen zur ruhmreichen Karriere Burgsmüllers hinzu. Nach dem nun wirklichen Ende seiner Spielerkarriere plant Schalke 04 mit Burgsmüller ein eigenes Football-Team aufzubauen, um die neue Arena auf Schalke auszulasten. Das Ende der NFL Europe zerstört diese Pläne unter dem Arbeitstitel „Pott Steelers“ jedoch frühzeitig.

Als Manager steigt Burgsmüller 2004/05 beim Dortmunder Kreisligisten SSV Hacheney ein. Er soll die abstiegsbedrohten Amateurkicker vor dem Gang in die Kreisliga C bewahren, was allerdings misslingt. Die Saison wird vom Fernsehsender Kabel1 begleitet und ist bis heute ein Kultobjekt in jedem DVD-Regal. Burgsmüllers Sprüche und die verzweifelten und erfolglosen Versuche, seinem Team das Fußballspielen beizubringen sind einfach nur Kult. Mit prominenter Unterstützung werden Trainingsmethoden ausprobiert, Spieler getestet und Testspiele u.a. gegen die Nationalmannschaft von Tibet und Frauenbundesligist Bad Neunahr durchgeführt. Der Abstieg kann jedoch nicht verhindert werden. In der Folgesaison schafft Burgsmüller mit Unterstützung einiger Neuzugänge jedoch den Wiederaufstieg mit seinem Verein. Nach insgesamt 45 Sendungen, 2 Liveübertragungen (!) und einem gemeinsamen Song (mit Schlagersänger Marcus Kuno „Helden aus Hacheney“) wird die Zusammenarbeit jedoch eingestellt. Auch wenn vermutet wird, dass Burgsmüller die Arbeit aus finanziellen Gründen annehmen musste, seine Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit sind einfach einmalig, die Selbstironie und die Einstellung, sich für nichts zu schade zu sein, legendär.

Heute ist Manni Burgsmüller im Sportmarketing beschäftigt. Seine Ehe ist mit 3 Kindern vor 10 Jahren gescheitert, er hat Schmerzen in den Beinen aufgrund einer Arthrose. Diese stammt angeblich aus einem Foul von Schwarzenbeck aus dem Jahr 1975. Man habe die Verletzung nicht ordentlich behandelt sagt Burgsmüller. Die Betreuung war noch nicht so gut wie heutzutage. So habe er 14 Tage später wieder auf dem Platz gestanden und leidet heute an den Folgen der Fehlbehandlung. „Damals zählten nur Brüche“. Manni Burgsmüller, inzwischen über 60, war und bleibt eine Kultfigur im deutschen Fußball.

Das ist Manfred „Manni“ Burgsmüller

Geburtstag: 22. Dezember 1949
Nationalität: Deutschland
Bundesligavereine: Rot-Weiß Essen, Borussia Dortmund, 1.FC Nürnberg, Werder Bremen
Bundesligaspiele: 447
Bundesligatore: 213
Länderspiele: 3
Länderspieltore: 0
Platzverweise: 0
Titelgewinne: Deutscher Meister 1988. Torschützenkönig der 2. Bundesliga 1985. World Bowl Champion 1998, 2000.

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