Er war 1974 der erste farbige Spieler in der Deutschen Fußballnationalmannschaft, trotzdem erinnern sich nur wenige Fans an sein erfolgreiches Auftreten in der Bundesliga. Viel mehr ist eine Geschichte um einen angeblichen Raubüberfall 1990 in den Köpfen geblieben. Falsche Freunde und die Boulevardpresse haben das Image von Erwin Kostedde stark beschädigt.
Erwin Kostedde wächst als Sohn eines afro-amerikanischen Soldats und einer Deutschen im westfälischen Münster auf. Aufgrund seiner dunklen Hautfarbe hat er bereits in seiner Jugend mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, die Nachkriegszeit hinterlässt ihre Spuren. Seinen Vater lernt er nicht kennen, da dieser nicht aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt. Eltern verbieten ihren Kindern, mit Kostedde zu spielen. Es ist eine Zeit, in der es verpönt ist, am Sonntag Jeans zu tragen, und in der dunkelhäutige Kinder eine Seltenheit sind. Bereits in jungen Jahren sterben zwei von Kosteddes Freunden auf tragische Weise, Kostedde hat alles andere als eine einfache Kindheit. Doch er konzentriert sich auf den Fußball, denn hier hat er Talent und erfährt von seinen Mitmenschen Beachtung und Bewunderung. In der Schule gehört er zu den Besten, immer wieder übt er den mehrfachen Übersteiger im direkten Zweikampf mit einem Gegenspieler. „Erwin-Shuffle“ wird dieser Trick später genannt.
Nach ein paar Jahren in seiner Heimatstadt Münster ist der MSV Duisburg Kosteddes erster Bundesligaverein. Er wird ins kalte Wasser des Fußballbusiness geworfen und ihm steigt der Ruhm schnell zu Kopf. Er zieht als Jugendlicher um die Häuser, verbringt Nächte in Kneipen und verpasst daraufhin das Training. Nach einer Auseinandersetzung mit Trainer Gyula Lorant flüchtet Kostedde kurzerhand für eine Zeit unerlaubt nach Amsterdam. Sein Lebensziel formuliert er wie folgt: „Ich möchte nie mehr arbeiten, sondern nur noch am Tresen stehen und saufen.“ Er träumt von einer großen Karriere, von internationalen Spielen und steht kurz davor, sein Ziel aus den Augen zu verlieren. Bei Duisburg wird er entlassen und soll zu Alemannia Aachen wechseln. Doch ein Spielervermittler fängt ihn beim Spaziergang in Aachen ab und vermittelt ihn zu Standard Lüttich, obwohl Kostedde bereits einen Vertrag bei der TSV unterschrieben hat. So muss er sich in Belgien verstecken, bis sich beide Vereine schließlich einigen können und Kostedde für Standard spielen darf.
Es wird ein großer Karriereschub. Innerhalb eines wahren Starensembles wird Kostedde mit seinem Team 3x in Folge Belgischer Meister und einmal sogar Torschützenkönig. Auch für die belgische Nationalmannschaft soll Kostedde spielen, die entsprechende Staatsbürgerschaft annehmen. Doch er möchte sich in seinem Heimatland Deutschland durchsetzen und lehnt ab, auch wenn ihn viele dafür belächeln. „Ein Schwarzer für Deutschland, wie soll das denn gehen?“
Von Lüttich wechselt 1971 Kostedde zu Kickers Offenbach in die 2. Bundesliga. Dort hält sein Höhenflug an. Kostedde steigt mit den Kickers nach einer Saison in die Bundesliga auf und wird zum Rekordtorjäger des Vereins. Dank vieler Treffer und einem Dreierpack gegen den Lokalrivalen Eintracht Frankfurt gewinnt Kostedde die Gunst der Fans, er wird zum Publikumsliebling. Allerdings erfährt er durch die Rivalität mit dem Nachbarverein am Main auch die Nachteile. Eine Autowerkstatt in Frankfurt verweigert ihm die Dienste, ein paar Fans beleidigen ihn rassistisch. Kostedde heute: „Ein paar Idioten gibt es halt überall, ich habe das eher auf die Rivalität als auf den Ausländerhass geschoben.“
Spätestens nach Kosteddes „Tor des Jahres“ am 18. Oktober 1974 beim 4:3 der Kickers über Borussia Mönchengladbach ist dann auch die Berufung des bereits 28-Jährigen in die Nationalmannschaft fällig. Beim 1:0 auf Malta, dem ersten deutschen Vergleich mit dem kleinen Inselstaat, gibt er sein Debüt an der Seite des WM-Kapitäns Franz Beckenbauer. Kostedde steht auch beim Auswärtsspiel im Wembley-Stadion gegen England vor über 100.000 Zuschauern auf dem Platz, das Unentschieden gegen Griechenland 1975 ist dann auch bereits wieder sein letztes Spiel im Trikot der Nationalelf. Der Sturm ist mit Spielern von Bayern München und Borussia Mönchengladbach qualitativ überbesetzt. Ein Tor gelingt Kostedde in seinen 3 Einsätzen nicht.
Aber auch bei den weiteren Stationen ist Kostedde erfolgreich, er wird zu einem der teuersten und gefragtesten Spieler seiner Zeit. Er schließt sich für ein Jahr Hertha BSC Berlin an, bleibt anschließend fast 2 Saisons in Dortmund. Hier bekommt er allerdings wieder Probleme mit den Fans. Aufgrund rassistischer Äußerungen der eigenen Anhänger läuft Kostedde häufig nur in Auswärtsspielen auf. Der Rassismus in Deutschland macht Kostedde zu schaffen, kurz vor Saisonende wechselt er daher erst nach Solingen und anschließend nach Frankreich zum Stade Laval. Dort wird er Torschützenkönig der Ligue 1, auch wenn sein Team nur im Mittelfeld platziert ist.
Als Werder Bremen 1979/80 in die 2.Bundesliga absteigen muss, holt Trainer Kuno Klötzer Kostedde aus Frankreich an die Weser. Klötzer setzt Kostedde in allen Ligaspielen ein und auch sein Nachfolger Otto Rehhagel, der nach Klötzers tragischem Autounfall 1980 die Mannschaft übernimmt und seine 14-Jährige Amtszeit in der Hansastadt startet, setzt auf ihn. Er absolviert alle 42 Saisonspiele und ist mit seinen 29 Treffern maßgeblich am Wiederaufstieg der Grün-Weißen in Liga 1 beteiligt. Nach einer weiteren Saison in Bremen geht Kostedde zum VfL Osnabrück, wo er 1983 seine Karriere beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Ruf von Kostedde bis auf kleine Jugendsünden unbefleckt.
Dies ändert sich jedoch nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn. Zunächst verliert er mit dubiosen Geschäftspartnern sein komplettes Vermögen und plagt sich seitdem mit Schulden herum. Mehr als 1 Million DM habe er damals verloren, sagt Kostedde heute. Dann kommt der Verdacht auf, dass Kostedde aufgrund seiner Schulden eine Spielbank im westfälischen Coesfeld überfallen und ausgeraubt habe. Der Boulevardjournalismus zeigt sich von seiner einflussreichsten Seite, Kostedde wird an den Pranger gestellt. Ein Schalke-Fan aus der Nachbarschaft der Spielbank hatte ihn angeblich erkannt und zu Unrecht angeschwärzt. Die Verhandelung wird zu einer Farce und in der Öffentlichkeit zerpflückt. Nach 6 Monaten in Untersuchungshaft wird Kostedde schließlich freigesprochen und erhält läppische 3.000 DM Haftentschädigung.
Viel schlimmer als die Zeit im Gefängnis und die mickrige Zahlung ist jedoch das Image, das Kostedde seitdem mit sich herumträgt. Die Berichterstattung über den Vorfall hat seine Spuren hinterlassen, noch heute ist Kostedde geknickt, wenn man ihn auf die damaligen Ermittlungsmethoden und Berichte anspricht. „Der einstige Erwin Kostedde ist 1990 gestorben“, so Kostedde zu den damaligen Anschuldigungen und dem seitdem verbundenen Image. Fragt man heute nach Kostedde, fallen vielen zuerst die Gerüchte um den Raubüberfall ein, dass Kostedde Rekordtorschütze der Kickers Offenbach ist, erster farbiger Nationalspieler war und in 219 Bundesligaspielen 98 Tore geschossen hat und damit eine Trefferquote wie Fritz Walter, Ailton oder Stefan Kuntz aufweisen kann, daran erinnern sich nur wenige. Von den 41 Zweitligatore in 74 Spielen und 51 Toren in nur 67 Spielen für Standard Lüttich, mal ganz abgesehen. In Offenbach ist er bis heute eine Legende. 1994 erscheint am Bieberer Berg ein Fanzine mit dem Namen „Erwin“, welches Kostedde gewidmet ist und es in 13 Jahren auf 65 Ausgaben bringt.
Kostedde lebt heute mit seiner Frau zurückgezogen in der Nähe von Münster. Er hat versucht, um seinen Ruf zu kämpfen, ist auch heute noch enttäuscht vom Umgang der deutschen Beamten und Presselandschaft. Er träumt vom Auswandern und wird vom Staat finanziell unterstützt. Viele Fehler habe er gemacht, den falschen Leuten vertraut und „vielleicht besser was anderes lernen sollen, als Fußball zu spielen“. Wir sehen das anders. Erwin Kostedde war und bleibt ein Kult-Kicker.
Das ist Erwin Kostedde
Geburtstag: 21. Mai 1946
Nationalität: Deutschland
Bundesligavereine: MSV Duisburg, Kickers Offenbach, Hertha BSC Berlin, Borussia Dortmund, Werder Bremen
Bundesligaspiele: 219
Bundesligatore: 98
Länderspiele: 3
Länderspieltore: 0
Platzverweise: 1
Titelgewinne: Belgischer Meister 1969, 1970, 1971. Torschütze „Tor des Jahres“ 1974.
Gibt es Kontaktdaten, um Erwin Kostedde wegen eines Interviews zu errreichen!
Für einen Hinweis wäre ich sehr dankbar. Vielen Dank.
Horst Wörner
Tel.: 07583/946623
Sorry, da kann ich leider nicht weiterhelfen.
Kostedde = lebende Legende!
wie kann so ein krasser Typ in Vergessenheit geraten?
Ich stand zu der Zeit auf der Südtribüne im Westfalenstadionund jubelte ihm und seiner Spielweise zu. Für Viele in meinem Alter (Jg. 1961) war seine Spielweise
vorbidlich und wir wollte so spielen, wie EK.
Danke, dass ich ihn spielen sehen durfte….
Alles Gute an EK und mögen seine Wünsche in Erfüllung gehen !!!!
wann wurde er von deutschen Fans in England ausgefifen?