Die Frage, wer ist eigentlich Thomas Müller, kann wahrscheinlich jeder Deutsche beantworten. Denn in Deutschland müllert es wieder. Die gesamte Fußballnation ist Fan eines jungen Mannes, der den Ballsport auf seine ganz eigene Art und Weise interpretiert. Schlaksig kommt er daher, unkonventionell, teils mit technischen Defiziten, aber seine Bilanz lässt sich dennoch sehen. Champions-League-Sieger, Deutscher Meister, DFB-Pokal-Gewinner, Weltmeister und dort sogar Torschützenkönig – da können selbst die vermeintlich besten Fußballer der Welt in Person von Lionel Messi und Christiano Ronaldo nur neidisch dreinblicken.
Christian Heynen drehte kürzlich seinen Film „Wer ist Thomas Müller?“. Die Antwort war eindeutig: der Durchschnittsdeutsche. Thomas Müller ist der hierzulande am häufigsten verbreitete Name. An DEM Thomas Müller ist jedoch nichts durchschnittlich. Und dennoch verkörpert der aktuell womöglich begehrteste Fußballer der Welt den Durchschnittsdeutschen wie kein ein anderer. 100 bis 120 Millionen Euro habe der Fußballverein Manchester United angeblich kürzlich für den 1,86 Meter großen Stürmer des FC Bayern München geboten. Er selbst sagte in seiner gewohnt süffisanten Art: „Aber es ist ja nicht der Mensch, der 100 Millionen wert ist.“ Womöglich ist es genau diese selbstverständliche Bodenständigkeit, die ihn so sympathisch macht. Thomas Müller – ein Spieler-Porträt.
Der Junge von nebenan
Thomas Müller wurde am 13. September 1989 in Weilheim in Oberbayern geboren. Er selbst versteht sich noch immer als echtes Landei, der die Vorzüge des städtischen Lebens niemals so wirklich verstehen wollte oder konnte. Dies mag aber womöglich auch gar nicht überraschen. Als Sohn von Gerhard und Klaudia Müller machte er sein Abitur im Jahr 2008 auf dem Gymnasium in Weilheim. Bereits ein Jahr später heiratete er seine Freundin Lisa, die als Pferdezüchterin und Dressurreiterin tätig ist.
Seit Kindesbeinen an ist er allerdings schon Fußballspieler des FC Bayern München, einem der erfolgreichsten Fußballvereine der Welt, der sich auch dieses Jahr wieder anschickt, die vierte Deutsche Meisterschaft in Folge zu gewinnen. Tipico, einer der bekanntesten Wettanbieter, gibt gerade einmal eine Quote von 1,12 aus, dass der FC Bayern wieder Meister wird. Auch beim Gewinn der Champions League liegt die Quote mit 5,0 nicht sonderlich hoch. Dabei zählen die Wettquoten zu den absoluten Stärken von Tipico, wie hier zu lesen ist. Grund hierfür sind aber nicht Namen wie Alonso oder Vidal, Robben oder Ribery, sondern der bereits jetzt wieder frei aufspielende Thomas Müller.
Es dauerte jedoch eine ganze Weile, bis der steile Aufstieg des Oberbayern beginnen sollte. Dies mag womöglich auch dem Umstand zuschulden sein, dass er nicht wie andere fest im Internat an der Säbener Straße integriert war. Fünfmal wurde in der Woche trainiert. Der Jungspund wurde für jedes Training die 40-Kilometer-Strecke mit dem Auto zum Trainingsplatz gefahren und natürlich auch zurück. Dabei durchlief er die gesamten Jugendmannschaften des FCB und wurde nicht bereits mit 17 Jahren in die Profimannschaft zu den Herren beordert, wie es beispielsweise bei Philip Lahm oder Bastian Schweinsteiger der Fall gewesen ist.
Der ehemalige Nachwuchsleiter des FC Bayern, Werner Kern, attestierte dem heute 26-Jährigen nicht unbedingt das große Fußballtalent, jedoch Willenskraft und die Fähigkeit, sich auf das zu fokussieren, was er erreichen wollte. Thomas hätte immer nur Fußball im Kopf gehabt, und das sogar in einem Alter, da andere Jugendliche sich mit ganz anderen Dingen des Lebens beschäftigen. Sein Debüt bei den Profis konnte er 2008 gegen den HSV feiern, für 10 Minuten wurde er damals für Miroslav Klose eingewechselt. Akzente konnte er jedoch nicht setzen. Einige Monate später wechselte ihn der damalige Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann in der Champions League ein. Müller leitete ein Tor ein und traf in der Schlussphase sogar selbst – zum 7:1 gegen Sporting Lissabon und freute sich damals schon so, als hätte er das entscheidende Tor zum Sieg erzielt.
„Müller spielt immer“
Den großen Durchbruch hatte Thomas Müller aber jemand ganz anderem zu verdanken. Der in München nicht unumstrittene Louis van Gaal nahm Thomas Müller in der Saison 2009/2010 in den Profikader auf. Mit einher ging der erste Profivertrag, den er bis zum Jahr 2011 unterzeichnete. Legendär der Satz, den der holländische Trainer über den damals noch sehr jungen Thomas Müller von sich gab: „Müller spielt immer.“ Und bereits in seiner ersten Saison konnte er das Vertrauen seines Coaches zurückzahlen, aufgrund seiner Leistungen jedoch nicht gerade überraschend:
- Am 12. September 2009, dem 5. Spieltag, erzielte Müller zwei Tore beim 5:1-Sieg gegen Borussia Dortmund und war fortan Stammspieler unter Louis van Gaal.
- Am 15. September stand Thomas Müller in der Startelf in der Champions-League-Begegnung gegen Maccabi Haifa und konnte auch in diesem Spiel zwei Treffer beisteuern.
- Als er am 01. Mai 2010 gleich alle drei Tore gegen den VFL Bochum erzielte, war dies die Vorentscheidung für den Gewinn der Deutschen Meisterschaft des FC Bayern München.
- In seiner ersten Saison erzielte Müller insgesamt 19 Tore in 52 Pflichtspielen und war fortan nicht mehr aus der bayerischen Mannschaft wegzudenken.
Auch wenn sich die erste Saison bereits sehen ließ, sollte dies erst der Anfang einer Erfolgsgeschichte sein, die mit dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien ihren – vorläufigen – Höhepunkt erreichen sollte. In die Nationalmannschaft wurde Thomas Müller erstmalig 2009 in einem Testspiel gegen die Elfenbeinküste berufen. Sein eigentliches Debüt feierte er jedoch in der heimischen Allianz Arena gegen Argentinien. Thomas Müller überzeugte den Bundestrainer, der ihn daraufhin zur WM 2010 mit nach Südafrika nahm. Dort gewann er auf Anhieb den Goldenen Schuh, er erzielte fünf Tore im Turnier und legte zugleich noch drei Treffer für seine Mannschaftskameraden auf.
Fortan sicherte sich Müller eine Stammposition in der Nationalmannschaft als rechter Außenstürmer. Joachim Löw selbst ist von Thomas Müller fasziniert, auch wenn er ihn, wie viele anderen, niemals so richtig durchschaut hat: „Er ist da, wo es brennt. Thomas hat einen Instinkt, am richtigen Platz zu sein, den kannst du nicht lernen. Bei ihm wundert mich mittlerweile nichts mehr.“ Ein Blick auf seine Leistungsdaten ist ebenfalls erstaunlich und Ausdruck seiner Effektivität. Auf dem Spielfeld ist Müller häufig minutenlang nicht zu sehen. Er ist kein Spielmacher, er verstolpert den einen oder anderen Ball, aber er trifft und kämpft. Hier ähnelt er womöglich seinem großen Vorbild, dem anderen Müller, dem Gerd.
Einsätze | Tore | Vorlagen | |
Saison 2014/2015 | 48 | 21 | 18 |
Saison 2013/2014 | 51 | 26 | 15 |
Saison 2012/2013 | 47 | 23 | 17 |
Saison 2011/2012 | 53 | 11 | 20 |
Info: Leistungsdaten von Thomas Müller im Verein und wettbewerbsübergreifend (Bundesliga, Champions League, DFB-Pokal, Supercup)
Kein Weltfußballer, dafür Weltmeister
Thomas Müller ist durchschnittlich in jeder Saison an 30 bis 40 Toren des FC Bayern München beteiligt. Dies sind Daten, bei denen die Frage aufkommt, warum Müller nicht schon längst zum Weltfußballer gereift ist. Die Antwort ist denkbar einfach: Müllers Spiel ist unkonventionell, wenig filigran, technisch oft wenig überzeugend. Mit seinen gefühlt ellenlangen Beinen stochert er oftmals wild mit dem Ball rum.
So medienwirksam und auffällig wie andere berühmte Kicker spielt Müller eben nicht. Dies ist der Grund, weswegen er bei der Wahl zu Europas Fußballer des Jahres oder sogar zur Wahl des Weltfußballers nicht einmal auf den ersten 10 Plätzen zu finden ist. Dafür lieben die Menschen seine Gala-Auftritte in Interviews, indem der charmante Oberbayer keine abgedroschenen Floskeln wie so viele andere Fußballspieler in das Mikrofon spricht, sondern einfach freischnauze das herausposaunt, was er denkt.
https://www.youtube.com/watch?v=g22IPkRJx2U
In Erinnerung geblieben ist dem einen oder anderen sicherlich sein Interview nach dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft, als er einer kolumbianischen Reporterin, die ihn fragte, ob er es schade fände, nicht den Goldenen Schuh gewonnen zu haben, mit folgenden Worten antwortete: „Des intressiert mi ois ned, der Scheißdregg. Weltmeister samma, den Pott hamma.“ So ist er eben, der Thomas Müller. Vielleicht kein Durchschnittsdeutscher, aber gewiss die Verkörperung der jungen und dynamischen, eben typisch deutschen Fußballkultur.